Susanne Greiner, Nachtkritik, 27. Juni 2025
In der Endlosschleife
Was ist Gewalt? Was macht sie mit uns? Von diesen Fragen ausgehend hat die Gruppe SKART gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen die Performance "War Games" entwickelt: ein Mix aus Theater, Tanz, Sound und Video. Irritierend, bedrohlich, bildgewaltig.
Krieg ist brutal, grausam, tödlich. Ein Spiel verspricht Leichtigkeit und Freude. So gegensätzlich die Begriffe sein mögen: Auch Krieg wird gespielt. Kinder mimen Räuber und Gendarm, Gamer werden zu Soldaten, die in der Normandie landen oder als Sniper durch Häuserschluchten rasen. Andere simulieren Krieg – als Übung für die Realität. Denn Krieg zieht sich durch die Menschheitsgeschichte. SKART 'entkleidet' in "War Games" den Krieg und legt sein Skelett frei: die Gewalt.
An der Schmerzgrenze
Am linken Bühnenrand tropft es schleimig aus Fäden auf einen dort liegenden Körper in Tarnfarbenoptik. Zwei große Stoffbanner mit Greifvögel- und Tauben-Silhouetten hängen vom Bühnenhimmel herab. Rechts am Boden stehen Computer und Mischpult. Von hier aus wird der Sound von Noisekünstler Deniz Khan live eingespielt. Er lässt sanfte Melodien auf harten Beat knallen, erzeugt dystopische Dissonanzen, die an die Schmerzgrenze gehen: Klang, der einlullt und aggressiv macht. Und sich so anfühlt, als verstehe da einer das Menschsein in seinem tiefsten Inneren.
In der Bühnenmitte performen die Kinder und Jugendlichen in weißen Uniformen, eine Mischung aus Boxring und Star Wars (Kostüm: Janne Plutat). Vier Begriffe, verschiedene Aspekte von Gewalt, dienen per Projektion als Überschriften zu den zwölf Szenen, die jeweils durch ein Black und eine Art Erkennungsmelodie getrennt sind: Reue, Vergessen, Macht, Exzess. Wobei es hier nicht um eine strikte, geschweige denn offensichtliche Zuordnung geht. Vielmehr dienen die Begriffe dazu, Assoziationsketten in Gang zu setzen.
Zu 'Reue' tragen Jugendliche riesige, schwebende Silberkissen wie Luftballons an Fäden über die Bühne. Unter der Überschrift 'Vergessen' zünden die Darstellenden Papierfetzen an, die verglühen – und an Video-Berichterstattungen erinnern, in denen die über einer Stadt niedergehenden Bomben als Leuchtkugeln erscheinen. 'Exzess' realisiert sich im entsprechenden Sound: eine Kakophonie an Geräuschen, Explosionen, Rauschen, das hohe Piepen im Ohr nach einem Knalltrauma. Dazu reißen die Spielenden die Münder zu stummen Schreien auf, pressen sich die Hände auf die Ohren: eine extrem beklemmende Szene.
Brei aus der Fliegerbombe
Texte ergänzen die Szenen beim Aspekt 'Macht'. Live eingelesen, entpuppen sich ihre Protagonisten als sechs Millimeter Mauser Pistole, als Fliegerbombe. Oder als astreiner Gewaltfanatiker: "Wenn ich an dich denke, klebe ich dir mit Sekundenkleber die Augenlider zu. Ich schneide dir die Wimpern ab und verstopfe dir mit deinen Wimpern die Nasenhöhle." Die trotz gewaltsamen Inhalt poetischen, teilweise absurden Texte strotzen vor Bildern. So wird aus der Fliegerbombe Brei, der in einer kleinen silbernen Schale, dem Löffel, mit Brummgeräusch auf einen großen, schreienden Schlund zubewegt wird: "Schön aufmachen, hier kommt das Flugzeug!"
Nach jedem Viererzyklus fällt die Stellwand im Hintergrund um. Kurz herrscht röhrende Stille – bevor alle die Wand wieder aufstellen. Eigentlich eine Szene, die auf Gemeinsamkeit zielt. Sieht man aber die Wand als ein Symbol für das 'Immer wieder' der Gewalt und des Krieges, was auch der "Geschichte wiederholt sich (nicht)"-Chorus der Darstellenden als Interpretation anbietet, wandelt sich der positive Charakter in Desillusion: Es ist die Menschheit an sich, die die Gewalt immer wieder von vorne auslöst – selbst wenn es noch so oft "nie wieder" heißt.
Prall, drastisch, außergewöhnlich
Das Ensemble begeistert mit ausdrucksstarker Gestik und Tanz, mit Synchronität und durch die Überzeugung, die hinter der Darstellung durchschimmert. Die Inszenierung lässt viel Freiraum, sowohl den Spielenden als auch dem Publikum. Der Abend ist prall, drastisch, ballert auf Ohren, Augen und Magen. Wer – abgesehen von den drei Texten – krampfhaft versucht, den Szenen eine 1:1-Zuordnung zu geben, scheitert. SKART spielt mit Eindrücken, Bildern, die im Kopf haften und bei jedem anderes keimen lassen. Extremes Assoziationstheater in außergewöhnlicher Form. Und deshalb mit enormem Nachhall.