„Funny Games“ auf Kampnagel – harter Stoff, Durchhalten lohnt
Hamburg. Das Kollektiv SKART/Masters of the Universe zeigt ein Spiel, das ständig auf der Kippe steht. Die Bühne gleicht einer Müllkippe.
„Funny Games“ ist ein recht fieser Film von Michael Haneke, bei dem zwei Jugendliche eine Familie diskurssinnig abschlachten. Auf den ersten Blick hat die Kampnagel-Performance „Funny Games“ des altersübergreifenden Kollektivs SKART/Masters of the Universe in Zusammenarbeit mit dem inklusiven Ensemble Meine Damen und Herren nichts mit dem 1997 gedrehten Film zu tun, aber: Hier wie dort geht es um Spiel, das unvermittelt in Gewalt kippt, und es geht um ein Hinterfragen der Gattungskonventionen.
Die Bühne gleicht einer Müllkippe: Antike Säulen, Geländer, ein Turm aus Bürostühlen. Die Ausstattung scheint halb im Bühnenboden zu versinken, und über allem wölbt sich eine riesige Stahlwippe. Nach und nach schälen sich die Performer aus Säcken, Kartons und Kisten heraus, wie Vögel, die sich aus Eiern picken, so langwierig wie liebevoll. Ein Einstieg als einleuchtende Antwort, wie man einen Schauspieler überhaupt auf die Bühne bekommt: nämlich als Geburtsvorgang. Dieses Theater ist mindestens so sehr theaterwissenschaftliche Theorieübung, wie es phantasievolles Bildertheater ist.
Die Wesen derweil haben sich ihrer Einfassungen entledigt. Und was machen sie jetzt? Sie spielen. Zunächst mühevoll, bald aber erfolgreich beklettern sie die Wippe und wirbeln durch die Lüfte, während ohrenbetäubender Modern-Talking-Schlager durch den Saal dröhnt. Das ist geschmacklich herausfordernd, es ist aber auch pure Lust an Bewegung und an Verausgabung. Doch, wie gesagt: „Funny Games“ hat auch etwas mit Grausamkeit zu tun. Unvermittelt bricht der Song ab, das Licht wechselt, und Mark Schröppel, der gerade noch oben auf der Wippe trohnte, wird den Rest des Abends an der Bühnendecke hängen.
Das durchzieht den ganzen Abend: Eine Spielsituation wird etabliert, eine Weile lang gibt man sich dem Spiel hin, und plötzlich kippt es, plötzlich spürt man Aggression, Gewalt, Zerstörung. Und Cut. Einmal werden zwei Darsteller aneinander gefesselt, das übrige Ensemble streichelt sie, bepustet sie mit Seifenblasen, das hat etwas Spielerisches, Zärtliches. Aber als dann eine Klobürste ins Spiel kommt, wird die Zärtlichkeit grob, die Verkrampfungen beim Kitzeln wirken schmerzhaft. Ständig steht hier etwas auf der Kippe, wird Nähe zum Übergriff, wird Spiel zur Verletzung.
Die verschiedenen Darsteller arbeiten integrativ zusammen – Kategorien wie Behinderung oder Alter sind zwar sichtbar, aber sie sind nicht wichtig für die Performance. Was dagegen wichtig ist: Lust an der Ernsthaftigkeit des Spiels. Jedes Element des Abends wird ernstgenommen, und wenn es eine Viertelstunde dauert, eine junge Darstellerin einen Vorhang zur Seitenbühne schleppen zu lassen, dann gibt man ihr auch diese Viertelstunde. „Funny Games“ ist kein leichter Stoff, sicher nicht, aber diesen Stoff durchzustehen, das macht gehörigen Spaß.