Die SKART-Performance in der Brechtbühne – eine Begegnung

Philipp Karau und Mark Schröppel sind SKART – jenes Performance-Duo, das derzeit in der Augsburger Brechtbühne das Stück “Mein Freund, der Baum” zeigt. Judith Bohle spielt darin eine der beiden weiblichen Rollen. Oliver Brunner ist Dramaturg am Theater Augsburg. Im Foyer der Brechtbühne haben wir uns unmittelbar vor der dritten Aufführung über das Stück und seine Wirkungen unterhalten – neben einem Verriss in der Augsburger Allgemeinen und gemischten Publikumsreaktionen gehören dazu mittlerweile auch einige böse Leserbriefe mit zweifelhaftem Niveau.

Ein Rechtsanwalt aus dem Osten (der Name ist der Redaktion nicht bekannt) ist prototypisch für die sehr erregten Schreiber: Er habe gelesen …, verkündet der Jurist in einem Schreiben ans Augsburger Theater – und macht damit gleich mal klar, dass er das Stück gar nicht gesehen hat. Anschließend bombardiert er die Verantwortlichen mit juristischen Konvoluten und der Drohung, er werde sich an die wichtigen Sponsoren wenden, um Ähnliches zukünftig zu verhindern. Dass der Schreiber unter anderem den Namen des Dramatikers Samuel Beckett nicht richtig zu schreiben weiß, muss nicht verwundern.Philipp Karau gibt sich gelassen: Vor allem im Theater habe er durchaus heftigere Reaktionen erwartet. “Viele warnende Stimmen” habe es vor der Premiere gegeben, doch die “Angst vor dem Abo-Publikum” habe sich nicht bewahrheitet. Mittlerweile ist das Publikum beim “Baum” gemischt: Es kommen diejenigen, “die sich immer jedes Stück anschauen”, und gleichzeitig solche, die von der Diskussion darüber angelockt werden – “und in beiden Gruppen gibt es solche, die das Stück gut finden, und solche, denen es eben nicht gefällt.” Nach Ende der zweiten Vorstellung habe ein Zuschauer noch vor Einsetzen des Applauses seinem Ärger mit einem heftigen “Gott sei Dank!” Luft gemacht. Andererseits, so Karau, habe ihm in einer Augsburger Kneipe ein älteres Ehepaar zum Stück gratuliert: Die beiden fanden “Mein Freund der Baum” super und hatten lange darauf gewartet, dass “so etwas” auch mal in Augsburg zu sehen sei. Auch Mark Schröppel hatte gewisse Befürchtungen vor der Premiere: Er stammt aus Augsburg, ist hier zur Schule gegangen, glaubte, das Publikum und die Medienlandschaft zu kennen und hatte erwartet, “dass die Leute scharenweise buhen und rausgehen.”

Quietschbunte Bilder und lauter Elektrorock

So weit kam es nicht. Und dafür gibt’s ja auch, eigentlich, keinen Anlass, selbst wenn Schröppel und Karau nicht gerade vorsichtig mit den Emotionen des Publikums umgehen. Vor allem hauen sie ihm in hoher Geschwindigkeit und großer Lautstärke quietschbunte Bilder und sehr lauten Elektrorock um Augen und Ohren – die Musik ist oft zu laut, um die Texte zu verstehen, die Bilder wechseln zu schnell, um sie einzuordnen, die Botschaften sind zu verschlüsselt, um ad hoc Sinn und Unsinn zu trennen und sich sorgsam mit dem Geschehen auseinanderzusetzen. Das aber hat Methode: Es sei ja gerade das Schöne an ihren Performances, sagt Karau, “dass viele unterschiedliche Dinge passieren – denn das lässt viel zu.” Unter anderem will SKART dem Publikum zumuten, “zu akzeptieren, dass man eben nicht alles versteht.” Der Komplexität des Themas komme eine solche Vorgehensweise weitaus näher, “als wenn man ein enges Regiekonzept hat, in dem die Antworten schon enthalten sind.”

Apropos Thema: Es geht um Protest in dem Stück. Ein zuckersüßer Vortrag von Judith Bohle gleich zu Anfang mag noch dazu verführen, harmlos Ökokritisches à la “Wir haben nur eine Welt” zu erwarten. Wenig später allerdings wird das Publikum per Katapult mit riesigen Gummipenissen beschossen, erklären Rechtsradikale, warum sie keine “Ausländer” mehr haben wollen, singen schwarze amerikanische Schulkinder Hassparolen gegen “weiße Schweine”, wallfahrtet eine katholisch anmutende Prozession hinter einem Foto von Claudia Roth her. Skandalträchtigste Szene: Im Rahmen eines hippieesken Tanzes um einen großen Plastikkopf wird dessen Inneres gefüllt mit einer Mischung aus 1 Eigelb, 1 Fläschchen Pikkolosekt, 1 Schamhaar (live abgeschnibbelt) und 1 Schuss Urin (ebenfalls live produziert). Und, ja, die beiden Männer sind meistens nackt, mal unterm Lack-Mini, mal unterm Priestergewand und mal gar nicht verdeckt, in einer Szene kommt noch eine nackte Frau hinzu.

Provokation, na klar, sagen Schröppel/Karau – aber nicht als Selbstzweck. Zunächst mal ganz theoretisch: Es sei Grundprinzip jeder Art von Kunst, Kommunikation herauszufordern, Reaktionen zu erzeugen, Auseinandersetzungen zu provozieren. Aber an 08/15-Reaktonen wie “Buh” und demonstrativem Rausgehen sei ihnen nicht gelegen: Das sei auch “ein Generationending”, meint Karau, vor allem ältere Menschen wüssten ihrem Unmut und ihrer Verunsicherung oft nicht anders Luft zu machen, fühlten sich überfordert. “Wenn wir wollten, dass die Leute raus rennen – das könnten wir besser!”, beteuert er. Schröppel fügt hinzu, etliche Zuschauer lehnten den Zwang ab, selbst Stellung zu beziehen, sich mit dem Vorgebrachten auseinanderzusetzen: “Wir lösen die Forderung von Schillers Don Carlos ein – wir geben fünfzigfach Gedankenfreiheit.” Ein Teil der Leserbriefschreiber aber gehe mit dieser Freiheit “faschistisch an das Stück ran” – Schröppel meint damit die Forderung nach Ge- und Verboten auf dem Theater und “die Unfähigkeit, mit dieser Freiheit umzugehen.”

Es gibt zum Glück auch andere Zuschauer. Immer wieder hören die beiden den Kommentar, man müsse sich das Stück eigentlich zwei- oder dreimal ansehen, um mehr davon zu verstehen. Und dass nach den Vorstellungen eifrig diskutiert wird, hat auch Oliver Brunner festgestellt. Er stellt den Abenden kurze Einführungen voran, in denen er vor allem appelliert, man solle offen bleiben, das Stück auf sich wirken lassen. “Allein das bewirkt schon”, so Brunner, dass die Leute viel entspannter mit der Performance umgehen: “Es ist sehr lebendig danach”.

Dass manche rausgehen, ist durchaus legitim

Ist es eine schwierige Entscheidung, an solch einem Stück mitzuarbeiten? Schauspielerin Judith Bohle sagt, sie habe schnell zugesagt: “Ich hab’ mich interessiert für diese beiden Menschen, die sich in sehr einleuchtender Weise mit vielem auseinandersetzen, was ich kenne.” Dass dabei der Matrosenaufstand von 1918 mit “veganer Permakultur” und der Sesamstraße in einen Topf gerührt wird, dass Tabus mal gebrochen, mal zur Schau gestellt werden, dass Schlingensief zitiert, bewusst schlecht geschauspielert und gleichzeitig auf sehr hohem Niveau Theatertheoretisches umgesetzt wird, dass parodiert, geäfft, gelacht, dass mit Vermittlungsweisen und Rezeptionserwartungen gespielt wird – das alles kann man griesgrämig, aber auch mit Humor hinnehmen. Manche Szenen, die man Tage später immer noch nicht enträtselt hat, mögen ja bewusst eingesetzt worden sein, um den intellektuellen Allesversteher in die Irre zu führen. Über sowas darf man sich auch ärgern, selbstverständlich. Karau findet es daher “toll”, dass manche Zuschauer gehen: “Das ist legitim. Wir wollen doch keinen Zwang ausüben, und wir wollen genau nicht, dass die Zuschauer wegen der Etikette sitzen bleiben.”

“Skandal”, “Verschwendung von Steuergeldern”, wie die Briefeschreiber meinen? Aus der entgegengesetzten Blickrichtung könnte man dies auch ungleich teureren Produktionen unterstellen, beispielsweise der Augsburger Verdi-Premiere am vergangene Samstag. Eine völlig abstruse Handlung, garniert mit reichlich veralteter Musik, die die Kitschgrenze bisweilen mühelos überspringt – Kritiker könnten nicht ganz grundlos argumentieren: Ein überkommenen Traditionsdenken führe dazu, dass das Theater für “solchen Quatsch” Unsummen zum Fenster rauswerfe. Karau/Schröppel tun das nicht. Sie argumentieren mit einer erstaunlich integeren, aufrichtigen Ernsthaftigkeit für ihr Theater der schrankenlosen Freiheit. Das muss nicht, kann aber gefallen. Skandale jedenfalls finden anderswo statt.

(Frank Heindl, Die Augsburger Zeitung, Oktober 2013)

 

Plastikschädel und Gummipenisse

Am Donnerstag, den 3. Oktober feierte die freie Performancegruppe SKART mit »Mein Freund der Baum« auf der brechtbühne Premiere und hat dabei sicherlich niemanden gelangweilt.

Das Rezept für einen Götzen: Ein wenig Sekt, ein Ei, eine Strähne Schamhaar, Spucke von allen anwesenden und - ganz wichtig - frisch abgelassenes Urin. Das Ganze wird dann in einem übergroßen, leuchtenden und durchsichtigen Plastikschädel durchgeschüttelt und über dem Publikum aufgehängt. Die Skurrilität solcher Momente war keine Seltenheit bei der Premiere von »Mein Freund der Baum«, einer Kooperation der freien Gruppe SKART und des Stadttheaters. Dass diese Art des Performancetheaters natürlich nicht jedem schmeckt, einige nur amüsiert und andere wahrhaftig schockiert, konnte man leider an dem etwas dünnen Applaus am Ende der Vorstellung feststellen. Allerdings zeigt SKART nicht einfach nur Penisse oder schleudert aufblasbare Nachbildungen derselben mit einem selbstgebastelten Katapult ins Publikum. Die Klammer des Abends war das Themenfeld »Protest«, das als Ausgangspunkt für die Performance gilt. So collagieren sie Audio-, Videomaterial und Fremdtexte von Erich Honecker über Valerie Solanas und Angela Davis bis hin zu Oskar Maria Graf mit ihrer performativen Darstellung. Auch wenn sicherlich die Bildgewalt und Reizüberflutung primär im Vordergrund des Abends steht, so scheinen die geschaffenen Bezüge und Querverweise dieses achronologischen Rundgangs durch die Protestgeschichte durchaus ein Gefühl für das Themengebiet zu vermitteln. Denn die gesamte Performance spielt mit Annahme und Ablehnung, zwingt den Zuschauer sich zu positionieren und hat am Ende sicherlich niemanden gleichgültig gelassen.

(a3kultur, Oktober 2013)

 

Protestkeule im Dauereinsatz

Eine knallbunte und brachial komische Retrospektive der Protestkultur vergangener Jahrzehnte ist die Performance Mein Freund der Baum, präsentiert wird sie von der Gießener Gruppe SKART, angeführt von Philipp Karau und Mark Schröppel, flankiert von Augsburger Schauspielern (Judith Bohle, Lea Sophie Salfeld, Sebastian Baumgart). Der Titel erinnert an bundesdeutsche Schlagerseligkeit - ist aber zugleich Ausdruck des aktuellen Protests gegen die Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts.

Die über einstündige provozierende Collage mit Reminiszenzen an die Münchner Räterepublik, die Black-Panther-Bewegung, die ausgebeuteten Amazonas Indianer und vieles andere mehr, gräbt längst vergessene Stilmittel aus und präsentiert sie in neuem Licht der Öffentlichkeit: die altehrwürdigen Happenings der späten Sechzigerjahre zum Beispiel oder die aggressiven Eskapaden von Jérôme Savarys Le Grand Magic Circus, mit dem er in den siebzigern auch hierzulande das Publikum schockierte. Comic-Helden, lasziv gewandete Nonnen, eine ganze Fraktion der Heilsarmee und eine gesichtslose Papst-Marionette tummeln sich vor einer in allen Farben brüllenden Videowand, zugedröhnt von einer wummernden Bassgitarre und umstellt von „Kampfmaschinen“ (so das Programmheft), darunter ein mittelalterliches Katapult, mit dem man überdimensionale Gummi-Penisse und andere Leckereien ins mehr oder weniger amüsierte Publikum schleudert.

Dazwischen wenig leichtfüßiger Witz, viel plakativ zur Schau gestellte Nacktheit, viel papierene Rhetorik aus dem Politologie-Oberseminar, ein gerüttelt Maß an Nonsens-Ulk aus dem Studententheater und zum guten Schluss noch ein entfesseltes Ringelreihen-Gehopse aus der apokalyptischen Phase eines Kindergeburtstages: alles nicht so ganz brandneu.

Gefehlt hat lediglich das Eingreifen der Polizei wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses, weil erst dann die große Sehnsucht aller Avantgarde erfüllt worden wäre: der Übergang von Kunst in Leben. So aber bleibt neben dem verdienten Respekt für ein Ensemble, das an die Grenzen seiner körperlichen Leistungsfähigkeit geht, nur höflicher Beifall des Establishments.

(Hanspeter Plocher, Bayerische Staatszeitung, Oktober 2013)

 

Zwischen Räterepublik und Permakultur passt immer noch ein Yogakurs

Bisweilen würde man doch gerne in die Köpfe der Sitznachbarn blicken können. Was das eher bürgerliche Pärchen rechts von mir wohl denkt, wenn sich die Brechtbühne in einen ziemlich durchgeknallten Spielplatz verwandelt mit viel Haut, Musik, Video und all den anderen schönen Elementen, die sich im Performancewerkzeugkasten finden? Muss eine Collage ein stimmiges Bild sein? Ein Bild, das stimmt? Oder zumindest als Bild stimmen?

Man ertappt sich dabei, dass man auch gerne Judith Bohle, Lea Salfeld und Sebastian Baumgart länger zugehört hätte, wenn sie von der Münchner Räterepublik berichten. Dass man sie gerne einmal im Dialog erlebt hätte mit den beiden "Conferenciers", den SKART-Masterminds Philipp Karau und Mark Schröppel. Man wäre auch gerne bei den Proben dabei gewesen, denn Spaß hatten (und haben) die Beteiligten offensichtlich. Und vielleicht hätte man dann sogar die Anmerkung gewagt, dass "Mein Freund der Baum" doch die ein oder andere Länge hat.

Offensichtlich haben's die vom Theater auch nicht getan - und das ist sicherlich gut so. Einerseits. Andererseits denkt man sich auf dem Heimweg, dass vermutlich nie ein Mensch Freund eines Baumes war, dass Karl der Käfer auch auf noch so drängende Nachfrage geschwiegen hätte und dass Reden über Protest oft ähnlich unbefriedigend ist wie darauf zu tanzen. Zwischen Räterepublik und Permakultur passt immer noch ein Yogakurs.

Singende Black-Panther-Kinder sieht man selbst als Arte-3sat-Gucker viel zu selten. Viele Sachen sieht man viel zu selten - und dazu gehören Aktionen wie dieses Gastspiel auf jeden Fall. Dass ein gutes Team inklusive Livemusiker mit einer überbordenden Fantasie trotz aller "Anstößigkeit" eine etwas biedere Inszenierung hinlegt, passt wiederum sehr gut zur deutschen Revolutionsgeschichte. Doch es ist, wie all die geplatzten Revolutionsträume, irgendwie schade. Das aber sehr.

(Flo Kapfer, Neue Szene Augsburg, Oktober 2013)

 

Ein Arschtritt und ein Aufrütteln

Mit SKART gibt sich eine freie Performancegruppe aus Gießen auf der brechtbühne die Ehre und lädt dazu ein, sich überreizen zu lassen.

»Mein Freund der Baum« ist ein schwülstig übersentimentaler Schlager der Sängerin Alexandra über den traurigen Tod eines Baumes. Und am 3. Oktober feiert eine Produktion mit dem gleichen Titel auf der brechtbühne Premiere. Aber darf man als Zuschauer eine theatrale Inszenierung voll Pathos und Naturempathie erwarten, die die Geschichte eines Mädchens und ihres Baumes erzählt? Wohl eher nicht. Denn SKART ist eine Performance-Gruppe, die nicht gerade für eingängliches Geschichten erzählen steht. Besser gesagt: SKART erzählt überhaupt keine Geschichte. Denn ganz in der Tradition des postdramatischen Performancetheaters gibt es keine lineare Handlung, keine psychologisierten Protagonisten, die einen inneren Konflikt durchleben und es wird auch keine Welt der Illusionen geschaffen. »Das was unsere Arbeit ausmacht, ist ein energetischer Rhythmus, der sich durch die Aufführung zieht und den Zuschauer intensiven Situationen aussetzt«, erklärt Mark Schröppel, der zusammen mit Philipp Karau den Kern der Performancegruppe SKART bildet.

Die beiden kennen sich aus ihrem Studium der Angewandten Theaterwissenschaften in Gießen, einer Talentschmiede für Theaterschaffende, aus der Größen, wie She She Pop oder René Pollesch stammen und die wie keine zweite Einrichtung für postdramatische theatrale Formen steht. SKART, was ausgeschrieben ‚Schröppel Karau Art Repetition Technologies’bedeutet, hat innerhalb dieser Tradition seine eigene Handschrift entwickelt. Beide Protagonisten kommen aus einem linksorientierten Milieu in der Nähe des Punks und haben sehr schnell gemerkt, dass sie ähnliche ästhetische Vorstellungen haben, die immer pop- und subkulturelle Bezüge mit einbeziehen. Ihr Performancetheater verbindet dabei Video- und Klanginstallationen mit szenischer Darstellung und eint auf diese Weise verschiedenste stilistische Einflüsse. Der Zuschauer wird einer colllagierten Reizüberflutung ausgesetzt und kann – wenn er sich darauf einlässt – aus der rhythmisierten Inszenierungssprache ein Lustgefühl entwickeln.

»Einerseits ist das, was wir machen, immer ein Arschtritt und ein Aufrütteln. Aber auf eine gewisse Weise sind wir auch traditionell. Immerhin nehmen wir für die Zeit der Vorstellung verschiedene Rollen an, wechseln diese Rollen meist im Versteckten, kostümieren uns und haben auch einen festgelegten Text. Im Grunde arbeiten wir dabei aber nach demselben Konzept, wie man es von elektronischer Musik kennt: Auf eine laute Phase folgt eine ruhige, so dass es nicht beliebig wird und sich nicht abnutzt, sondern, dass die Energie erhalten bleibt.«

Dass eine freie Gruppe wie SKART den Weg an das Stadttheater Augsburg gefunden hat, liegt nicht nur daran, dass Mark Schröppel gebürtiger Gögginger ist, sondern auch besonders daran, dass der Schauspieldirektor Markus Trabusch schon seit den Neunzigerjahren die Gießener Theaterriege im Blick hat. Nachdem Philipp Karau in der letzten Spielzeit für die Produktion von »Ulrike Maria Stuart« bereits eine Videoarbeit beigesteuert hat, ergab sich aus dem Kontakt eine Kooperation, die nicht nur freie Szene und Stadttheater verbindet, sondern dem Augsburger Publikum hautnah ermöglicht sich mit dieser besonderen Art des theatralen Ausdrucks konfrontieren zu lassen.

SKART selber haben einen durchweg positiven Eindruck von Augsburg: »Wir haben freie Hand und keine Beschränkungen, wurden herzlich aufgenommen und können super mit den Schauspielern zusammenarbeiten.« Die Augsburger Schauspieler, die mit SKART auf der Bühne stehen werden, sind Judith Bohle, Lea Sophie Salfeld und Sebastian Baumgart. »Am Anfang waren sie noch ein bißchen ›g’schamig‹, das hat sich dann aber schnell gegeben. Keiner muss bei uns etwas tun, das er nicht will. Und grundsätzlich haben auch alle ein Mitspracherecht und arbeiten so an der Produktion mit.« Denn die Inszenierungen von SKART entstehen hauptsächlich aus einem Miteinander bei dem Probenprozess und wandeln sich dabei ständig. So hat »Mein Freund der Baum« mit der Grundidee begonnen, eine Produktion über die Grünen zu machen, hat sich mittlerweile aber zu einer ästhetischen Aufarbeitung von Protest im weitesten Sinne entwickelt. Der titelgebende Schlager wird allerdings wohl nicht Teil der Inszenierung sein.

Was den Zuschauer konkret erwartet? »Es wird laut, nackt und es gibt Kriegsgefährte aus Pappe.« Ab dem 3. Oktober kann und sollte man sich auf der brechtbühne von SKART überreizen lassen.

(a3kultur, Oktober 2013)

 

Im Kraftfeld der Mehrdeutigkeit

Mark Schröppel und Philipp Karau bringen „Mein Freund der Baum“ auf die Brechtbühne

Ein Theaterstück, nein, eine Performance, nein, ein Theaterstück inszenieren Mark Schröppel und Philipp Karau gemeinsam am Theater Augsburg. So genau wollen sich die beiden Gründer der „Schröppel Karau Art Repetition Technologies“ – kurz und griffig Skart genannt – nicht festlegen. Ihre Performance „Mein Freund der Baum“ (so wird sie vom Theater angekündigt) hat am Donnerstag, 3. Oktober, um 19 Uhr auf der Brechtbühne Premiere.

Mit Doppel- und Mehrdeutigkeiten spielen die beiden 30-jährigen Absolventen des Gießener Studiengangs für Angewandte Theaterwissenschaft liebend gerne Pingpong. Da sagt Schröppel, der gebürtige Augsburger, dass sie den Schauspielern für ihr Stück – man denkt Performance gleicht mit – einen roten Faden mitgeben, dass sie ihnen Leitlinien aufzeigen, dass sie darauf achten, dass ihre Skart-Ästhetik gewahrt bleibt, und Karau schränkt ein, dass die an der Produktion beteiligten Schauspieler des Theaters (Judith Bohle, Lea Sophie Salfeld, Sebastian Baumgart) nichts auf der Bühne machen müssen, hinter dem sie nicht stehen, mit dem sie sich nicht wohlfühlen.

Und doch klingen Karau und Schröppel dabei wie ein eingespieltes Team. Genau dieses Umkreisen eines Themas gehört für beide fest zum eigenen Theaterprogramm. Sie können das, was sie zu sagen haben – und sie sprechen auf der Bühne gerne auch über Politisches –, nie nur aus einem Blickwinkel zeigen.

Das andere ist, dass sie es bislang gewohnt waren, alles allein zu machen: das Stück,die Darstellung, das Bühnenbild, Ton- und Videospuren, die Beleuchtung. In Augsburg, wo sie nun zum ersten Mal mit dem Apparat eines Stadttheaters arbeiten, habe die Alles-selbst-machen-Mentalitäterstmalzu leichtem Befremden mit anschließendem Gewöhnungsprozess geführt, sagt Karau. Den Apparat mit seinen vielen Möglichkeiten empfinden sie als angenehm. Der größte Segen sei es gewesen, sich nicht um die Projektfinanzierung sorgen zu müssen.

In ihrer Augsburger Inszenierung setzen sie sich mit Protestformen und Protestbewegungen auseinander. Nicht nur mit welchen, die sich durchgesetzt haben, sondern auch mit anderen, „die auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet sind“, wie Schröppel sagt. Etwa die Thesen der Feministin Valerie Solanas, die 1968 versuchte, Andy Warhol zu erschießen.

(Richard Mayr, Augsburger Allgemeine, Oktober 2013)

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Im Kraftfeld der Mehrdeutigkeit - weiter lesen auf Augsburger-Allgemeine: http://www.augsburger-allgemeine.de/augsburg/Im-Kraftfeld-der-Mehrdeutigkeit-id27228357.html
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